Ausländer mobilisieren gegen Kürzungen bei Sprachkursen
Von Christoph Lenz. Aktualisiert am 16.03.2012
Portugal spart und brüskiert die Exilgemeinde: Sprachkurse werden gestrichen, Botschaftsangestellte leben am Existenzminimum. Nun kommt es in Bern zur Demo.Sie haben gedroht, sie haben geklagt, sie haben gestreikt. Jetzt wollen die Angestellten der portugiesischen Botschaft ihren Kampf auf die Strasse tragen. Morgen Samstag um 14 Uhr protestieren sie gemeinsam mit ihren im Schweizer Exil lebenden Mitbürgern auf dem Berner Waisenhausplatz. Und zwar gegen ihre Regierung, oder genauer – gegen deren Sparprogramme. «Vielleicht bewegt sich dann etwas», sagt Marco Martins von der portugiesischen Botschaft. Die Betonung liegt auf dem Vielleicht – die Verzweiflung ist inzwischen grösser als die Hoffnung.
Löhne und Kursbeiträge gekürzt
Die
Demonstration hat zwei Auslöser. Erstens hat Portugal seinen
Botschaftsangestellten unlängst den 13. Monatslohn gestrichen. Dies
nachdem die Löhne bereits letztes Jahr gesenkt worden waren und
weiterhin in Euro ausbezahlt werden. Eine Anpassung an die neuen
Wechselkursverhältnisse blieb bislang aus. Die Lohneinbusse des
Botschaftspersonals beläuft sich nunmehr auf teilweise über 40 Prozent.
Was das konkret heisst, weiss Marco Martins: «Viele unserer Kollegen
verdienen inzwischen unter 3000 Franken netto pro Monat. Das reicht
nirgendwo hin.»
Der zweite Grund für die Demo: Die Sparbemühungen
treffen nun auch die übrige Exilgemeinde. Die Staatsbeiträge an
HSK-Kurse, die portugiesische Kinder in der Schweiz an die Sprache und
Kultur der Heimat heranführen sollen, werden drastisch reduziert. Im
Dezember 2011 hat die Regierung 20 HSK-Lehrpersonen entlassen, 27
weitere Jobs sollen demnächst abgebaut werden. Von den Massnahmen sind
rund 7000 portugiesische Kinder betroffen. Marco Martins sieht darin
eine Bedrohung des kulturellen Fundaments der Portugiesen. «Für viele
Kinder sind die Kurse die einzige ausserfamiliäre Verbindung zum
Heimatland.»
Griechen und Italiener bangen
Portugal
ist bei den HSK-Kursen kein Einzelfall. Wie Eleftheria Marcoyannakis,
Berner Koordinatorin des Griechisch-Kurses, bestätigt, ist auch dessen
Finanzierung ab 2013 nicht gesichert. «Wir machen uns Gedanken», sagt
Marcoyannakis. Bereits stark gelitten hat die italienische Gemeinschaft.
«Zwischen 2008 und 2012 hat der Staat seine Subventionen für HSK-Kurse
um 70 Prozent gekürzt», sagt Guglielmo Bozzolini, Geschäftsführer der
Stiftung Ecap, die sich der Bildung von Italienern in der Schweiz
verschrieben hat. Nach Schätzung von Bozzolini sind in der Schweiz rund
4000 Kinder von den Sparmassnahmen betroffen – mehrere Hundert dürften
im Kanton Bern leben.
Die Hoffnungen von Bozzolini und Martins
liegen nun auch auf der Schweiz. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Unia
wollen sie sich demnächst an die Eidgenössische
Bildungsdirektorenkonferenz wenden. Ziel ist, dass die HSK-Kurse in die
schweizerischen Schulstrukturen integriert und durch die Kantone
mitfinanziert werden. «Die HSK-Kurse sind ein wichtiges Instrument zur
Integration», begründet Bozzolini die Forderung. «Angesichts der
Verschuldung von Italien, Portugal und Griechenland ist es lächerlich,
dass diese Staaten für die schulische Bildung von Kindern in der Schweiz
aufkommen müssen.»
Kanton Bern kann nicht helfen
Der
Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) bedauert die
Kürzungen bei HSK-Kursen. Derzeit würden allein im Kanton Bern 450 Kurse
in 20 Sprachen angeboten – pro Woche. «Eine wichtige Grundlage für die
Integration von ausländischen Kindern», sagt Pulver. Auch deshalb leiste
der Kanton Bern organisatorische Unterstützung – etwa indem
Klassenzimmer für die Kurse zur Verfügung gestellt würden. Für eine
weitergehende Hilfe seien ihm die Hände aber gebunden, sagt Pulver. «Für
finanzielle Hilfe fehlen uns die gesetzliche Grundlage und das Geld.»
(Der Bund)
Erstellt: 16.03.2012, 12:01 Uhr
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